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Briefing

COVID-19: Die wichtigsten rechtlichen Aspekte für Österreich

Der Ausbruch von Covid-19 hat sowohl unsere Lebens- als auch Arbeitsweise erheblich verändert.

Wie Sie sicherlich wissen, sind mit Montag, 16. März 2020, mehrere Notstandsgesetze in Kraft getreten. Unter anderem wurde auch ein Soforthilfspaket in Höhe von 4 Milliarden Euro verabschiedet, welches primär der Stimulierung des Arbeitsmarktes und der Sicherung und Überbrückung des Liquiditätsbedarfs bestimmter betroffener Unternehmen dienen soll. Aufgrund der weitreichenden Auswirkungen hat das österreichische Parlament ein zweites Covid-19 Gesetzespaket verabschiedet, welches seit Montag, 23. März 2020, 0:00 Uhr, in Kraft ist. Das Gesetzespaket stellt weitere Hilfsmittel in Höhe von EUR 38 Milliarden zur Unterstützung der Wirtschaft zur Verfügung. Ein weiterer wesentlicher Eckpfeiler des zweiten Covid-19-Gesetzespakets sind Sonderregelungen für die Justiz.

Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen, die der Ausbruch von Covid-19 mit sich bringt, gibt es auch unzählige rechtliche Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Darunter fallen insbesondere:


Arbeitsrecht

Die Covid-19-Gesetze sehen zwei wesentliche Notfallmaßnahmen im Bereich des Arbeitsrechts vor: (i) „CoronaKurzarbeitszeit“ und (ii) Sonderbetreuungszeit. Bei Kurzarbeit handelt es sich um eine staatlich geförderte Maßnahme zur vorübergehenden Reduzierung der Arbeitsstunden und des Lohns von Mitarbeitern aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Aufgrund der derzeitigen Situation wurden die Parameter und Voraussetzungen für Kurzarbeit stark zugunsten der Arbeitgeber geändert. Darüber hinaus stellen sich weitere arbeitsrechtliche Themen wie Betriebsschließungen, Home Office Regelungen, Entgeltfortzahlungspflichten, etc.


Corporate Governance

Bei Gesellschaften mit Aufsichtsrat müssen mindestens vier Aufsichtsratssitzungen pro Jahr und mindestens eine pro Quartal abgehalten werden. Das hohe Ansteckungsrisiko von Covid-19, das zu einer Reduzierung der sozialen Kontakte auf ein Minimum führt, und die derzeitigen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit erschweren die Abhaltung von ordentlichen (und außerordentlichen) Aufsichtsratssitzungen in physischer Form erheblich. Die Möglichkeiten damit umzugehen reichen von der Absage oder Verschiebung (in den meisten Fällen wohl eher nicht zu empfehlen) bis hin zu einer Abhaltung der Sitzungen in Form einer Videokonferenz.

Bitte beachten Sie dabei, dass das österreichische Recht Videokonferenzen nur dann Aufsichtsratssitzungen gleichstellt, wenn diese in Form einer sogenannten "qualifizierten" Videokonferenz erfolgen. Ähnliche Fragen stellen sich im Zusammenhang mit Hauptversammlungen und Generalversammlungen, wobei die Möglichkeiten, Hauptversammlungen und Generalversammlungen elektronisch abzuhalten nach derzeit geltendem Recht begrenzt sind. Das zweite Covid-19 Gesetz sieht nun vor, dass Versammlungen von Gesellschaftsorganen (etwa Gesellschafterversammlungen oder Aufsichtsratssitzungen) auch ohne die physische Anwesenheit der Teilnehmer stattfinden können, sofern eine vergleichbare Willensbildung gewährleistet ist.

Die Bundesministerin für Justiz ist ermächtigt nähere Details zu den Maßnahmen, die eine vergleichbare Willensbildung gewährleisten (wir erwarten hier Videokonferenz oder online Streaming), per Verordnung zu erlassen. Virtuelle Sitzungen der Geschäftsführer/Vorstände können allerdings zu Argumentationsschwierigkeiten im Hinblick auf die steuerliche Ansässigkeit von Gesellschaften und damit steuerlichen Folgen führen. Daneben wurde auch die Frist zur Abhaltung der ordentlichen Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft im Jahr 2020 von acht auf zwölf Monate verlängert.


M&A

Für geplante oder bereits laufende M&A Prozesse müssen Unternehmensbewertungen möglicherweise neu überdacht werden und könnten sich herausfordernd gestalten. Mögliche M&A Projekte können sich für finanzstarke Käufer in Bezug auf in Krisen befindliche Unternehmen ergeben. In Deals, die bereits unterzeichnet wurden, könnten „Material adverse change“ (MAC) oder „Material adverse event“ (MAE) Klauseln ausgelöst werden. Die Erfüllung weiterer aufschiebenden Bedingungen (z.B. behördliche Genehmigungen oder vorbereitende Umstrukturierungen) könnten sich erheblich verzögern.

Der Abschluss einer Akquisitionsfinanzierung könnte möglicherweise ebenfalls verzögert oder sogar gänzlich schwieriger werden. Darüber hinaus hat Covid-19 zu einem erheblichen Einsturz der Aktienkurse vieler börsennotierten Unternehmen geführt, obwohl die grundlegenden Unternehmenskennzahlen einen solchen Preissturz nach derzeitigem Stand nur bedingt rechtfertigen. Dieser Umstand könnte eine gute Gelegenheit für öffentliche Übernahmen darstellen und viele börsennotierte Unternehmen zu attraktiven Übernahmezielen machen.


Wettbewerbsrecht

Die neuen COVID-19-Gesetze sehen im Hinblick auf Fristen in Fusionskontrollverfahren vor, dass die vierwöchige Prüffrist für Zusammenschlussanmeldungen, die nach dem 22. März eingereicht werden, am 1. Mai zu laufen beginnt (in der Praxis wird das für alle zwischen dem 22. März und den 30. April eingebrachten Anmeldungen relevant sein; für nach dem 1. Mai eingebrachte Anmeldungen ist derzeit davon auszugehen, dass die vierwöchige Prüffrist in Phase 1 gelten wird). Bei vor dem 22. März eingebrachten Zusammenschlussanmeldungen will die Bundeswettbewerbsbehörde die vierwöchige Prüffrist unverändert anwenden.

Kooperationen zwischen Unternehmen (insb. Wettbewerbern) unterliegen weiterhin den wettbewerbsrechtlichen Regeln. Es ist allerdings zu beobachten, dass Regierungen, etwa in Deutschland oder dem Vereinigten Königreich, Pläne zur Lockerung der wettbewerbsrechtlichen Vorgaben während der Krise in sensiblen Bereichen wie dem Lebensmittelvertrieb ankündigten. Auch das ECN (European Competition Network) gab bekannt, dass es nicht „aktiv“ gegen notwendige und zeitlich begrenzte Kooperationen einschreiten werde, die die Herstellung und gerechte Verteilung von begrenzt vorhandenen Produkten an Endkunden bezwecken, um eine Versorgungsknappheit zu beseitigen.

Gleichzeitig teilte das ECN auch mit, es werde Maßnahmen gegen Unternehmen ergreifen, die aus der gegenwärtigen Situation durch Kartellabsprachen oder den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung einen Vorteil ziehen wollen. In beihilferechtlicher Hinsicht veröffentlichte die EU Kommission ein „Temporary Framework“, das Kriterien für Mitgliedsstaaten zur Gestaltung von Beihilferegelungen zur Unterstützung von Unternehmen enthält. Dieses „Framework“ ermöglicht Mitgliedsstaaten die Verabschiedung verschiedener Maßnahmen, um Kompensationsansprüche vorzusehen oder Liquiditätsproblemen von Unternehmen zu begegnen (z.B. direkte Gewährung von bis zu 800.000 EUR pro Unternehmen).

Einzelbeihilfen, die nicht unter eine Beihilferegelung fallen, sind weiterhin bei der Kommission anzumelden, die diese rasch auf Einzelfallbasis beurteilen wird. Mitgliedsstaaten können Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen auch außerhalb des „Frameworks“ bei der Kommission anmelden.


Kapitalmärkte

Hier ist zu beachten, dass Ad-hoc-Mitteilungen erforderlich werden können, zB. in Bezug auf mögliche Gewinnerwartungen, die der Öffentlichkeit mitgeteilt wurden, die sich aber in der Zwischenzeit aufgrund des Covid-19 Ausbruchs geändert haben. Auch die Offenlegung bereits vorhandener Dokumente (bspw. Risikofaktoren, Trading Statements) muss aller Voraussicht nach durch ergänzende Beilagen aktualisiert werden. Seit 18. März 2020 unterliegen Aktien, die zum Amtlichen Handel an der Wiener Börse zugelassen sind, einem Verbot von „Leerverkäufen“ (sprich: Transaktion, die in Erwartung fallender Kurse abgeschlossen werden); ausgenommen davon sind lediglich bestimmte Market-Maker Transaktionen. Das Verbot gilt zeitlich befristet bis zum 18. April 2020.


Datenschutz

Private Unternehmen, die beabsichtigen, eigene Maßnahmen zur Minderung der Auswirkungen von Covid-19 zu ergreifen, müssen dabei bedenken, dass die Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Rahmen solcher Maßnahmen strengen Anforderungen der DSGVO unterliegen. Daher wird das Erheben von Gesundheitsdaten im Rahmen allgemeiner Präventionsmaßnahmen (zB. Temperaturmessungen von Mitarbeitern oder Besuchern vor dem Betreten der Räumlichkeiten oder auszufüllende Gesundheitsfragebögen) nach derzeitigem Stand wohl nicht zu rechtfertigen sein.

Gemäß den Leitlinien, die von der österreichischen Datenschutzbehörde veröffentlicht wurden, könnten jedoch bei tatsächlichen oder vermuteten Covid-19 Vorfällen Gesundheitsdaten verarbeitet werden, sofern die allgemeinen Datenschutzgrundsätze dabei eingehalten werden. Darüber hinaus werden österreichische Arbeitgeber dringend dazu aufgefordert, ihren Mitarbeitern den Wechsel zu Telearbeit – wo immer dies möglich ist – zu ermöglichen. Unternehmen, die ihren Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, von zu Hause aus zu arbeiten, müssen bedenken, dass laut DSGVO entsprechende technische und organisatorische (Sicherheits-)Maßnahmen umgesetzt werden sollten.


Mietverträge

Umstände, die weder in die Sphäre des Vermieters noch in die des Mieters fallen (sogenannte neutrale Sphäre), gelten nach österreichischem Recht generell als Risiken, die der Vermieter zu tragen hat. Eine Epidemie als solche würden typischerweise kein Kündigungsrecht des Mieters begründen. Im Falle einer von der österreichischen Bundesregierung angeordneten Zwangsschließung kann dem Mieter aber gestattet werden, eine Mietzinsminderung zu verlangen und zu kündigen, wenn die Zwangsschließung für einen erheblichen Zeitraum andauert.


Bauverträge

Sofern sich die Fertigstellung eines Bauvorhabens aufgrund von höherer Gewalt verzögert, könnte der Auftragnehmer zu einer Anpassung der Fertigstellungsfristen berechtigt sein, ohne dass eine vereinbarte Vertragsstrafe fällig wird. In einem solchen Fall wären allfällige vereinbarte Sicherstellungs- und Informationspflichten des Auftragnehmers zu berücksichtigen.


Finanzierungen

Die Covid-19 Gesetze sehen keine spezifischen Regelungen in Bezug auf Finanzierungsvereinbarungen vor. Covid-19 kann jedoch weitgehende Auswirkungen auf die Liquiditäts- und Finanzierungssituation von Unternehmen haben. Vor diesem Hintergrund sollten Kreditnehmer und -geber Rechte und Verpflichtungen unter ihren Finanzierungsdokumenten haben. Beispielsweise wird eine nicht zeitgerechte Zahlung im Allgemeinen einen Kündigungsgrund darstellen, die Kreditgeber berechtigt, Kreditzusagen zu kündigen, ausstehende Beträge fällig zu stellen und auf Sicherheiten zuzugreifen. Ein Kündigungsgrund kann auch durch die aktuelle oder angekündigte Einstellung oder Aufgabe des gesamten oder einen wesentlichen Teils der Geschäftstätigkeit eines Kreditnehmers eintreten, eine Verschlechterung seiner finanziellen Situation, von Umständen in bestimmten Jurisdiktionen (zB Ausnahmezustand) oder Cross-Default. Darüber hinaus können Kreditnehmer uU bestimmte Zusicherungen nicht mehr abgeben (etwa betreffend die Richtigkeit von Informationen an Kreditgeber, die Gültigkeit oder Durchsetzbarkeit des Finanzierungsvertrags oder wesentliche Verträge oder Lizenzen), finanzielle Kennzahlen (etwa Liquiditäts-, Verschuldungs- oder Eigenkapitalquoten) nicht einhalten oder allgemeinen Verpflichtungen nicht nachkommen (etwa wesentliche Verträge aufrechtzuhalten).

Kreditnehmer sollten auch berücksichtigen, dass finanzielle Notfallsunterstützung durch die oder im Namen der Regierung gegen Bestimmungen von Finanzierungsdokumenten verstoßen könnten und daher frühzeitig Gespräche mit Kreditnehmern aufnehmen. Außerdem sollte die Möglichkeit, finanzielle Mittel unter revolvierenden oder Back-up-Finanzierungen abzurufen, geprüft werden. Generell empfehlen wir Kreditnehmern, pro-aktiv einen Dialog mit Kreditgebern aufzunehmen. Aufgrund der regulatorischen Erleichterungen für Banken ist zu erwarten, dass Banken Kreditnehmern verstärkte Flexibilität zeigen.


Steuern

Das Bundesministerium für Finanzen hat Sonderregelungen veröffentlicht, um auf die im Zusammenhang mit Covid-19 entstehenden Liquiditätsengpässe bei Unternehmen zu reagieren. Diese Maßnahmen umfassen unter anderem eine Herab- oder gänzliche Nichtfestsetzung von Einkommen- oder Körperschaftsteuervorauszahlungen für 2020, eine Stundung von Abgabenzahlungen sowie die Möglichkeit der Ratenzahlung. Sämtliche Maßnahmen setzen einen Antrag des betroffenen Steuerpflichtigen voraus, in dem dieser glaubhaft macht, dass ein durch Covid-19 verursachter Liquiditätsengpass vorliegt (das Bundesministerium für Finanzen hat entsprechende Musteranträge veröffentlicht). Wir verstehen weiters, dass (laufende und zukünftige) Betriebsprüfungen auf Antrag des Steuerpflichtigen aufgeschoben werden können.

Darüber hinaus enthält das zweite Covid-19-Gesetzespaket unter anderem eine Befreiung von Stempelgebühren für Schriften und Amtshandlungen, die im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Covid-19-Krisensituation erfolgen (nicht aber für hierbei anfallende Rechtsgeschäftsgebühren). Es enthält zudem bestimmte Maßnahmen in Bezug auf laufende Abgabenverfahren; konkret werden etwa die zum 16.03.2020 noch offenen oder danach zu laufen beginnenden Rechtsmittelfristen (einschließlich Revisionsfristen) bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen; sie beginnen mit 01.05.2020 neu zu laufen (die Dauer dieser Unterbrechung kann, falls erforderlich, durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen angepasst werden). Daneben können weitere Änderungen von verfahrensrechtlichen Fristen und Terminen per Verordnung geregelt werden.


Verträge & Force Majeure

Grundsätzlich könnte Covid-19 als Fall höherer Gewalt („force majeure“) im Sinne der Rechtsprechung des OGH angesehen werden. Dies sollte aber im Einzelfall geprüft werden und ist wohl nicht für jeden Vertrag automatisch gegeben. Covid-19 könnte auch als ein zufälliges Ereignis betrachtet werden, das zu einer unverschuldeten nachträglichen Unmöglichkeit oder einem unverschuldeten Verzug der Leistung führen könnte (auch dies gilt es im Einzelfall zu beurteilen).


Verfahrensrecht

Das zweite Covid-19 Gesetz hat eine Hemmung von Verjährungsfristen bis 30. April 2020 (das heißt, diese Fristen sind nur gehemmt und laufen ab 30. April weiter), sowie eine Unterbrechung aller laufenden verfahrensrechtlichen Fristen in Zivilrechtssachen bis 30. April 2020 (das heißt, diese Fristen starten nach der Unterbrechung vollständig neu) eingeführt. Zudem wurde auch die maximale Frist zur Stellung von Insolvenzanträgen von 60 auf 120 Tage verlängert.


Wir haben ein praxisübergreifendes Covid-19 Expertenteam zusammengestellt, welches unsere Mandaten in jeder Hinsicht unterstützt. Sie können sich daher jederzeit an uns wenden, wenn Sie eines der Themen besprechen möchten, mehr Informationen zu bestimmten Themen und/oder sofortige Hilfe benötigen.

Wir stehen Ihnen für alle Fragen, mit denen Sie derzeit konfrontiert sind, zur Verfügung.

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